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Es ist so still am stillen Örtchen

„Entweder ist in unserer Toilette ein Gast eingeschlafen, am Meditieren, bewusstlos oder…?“ Eine unserer Mitarbeiterinnen ruft mich, weil sie seit bald einer halben Stunde nicht in den besagten Raum kann. „Abgeschlossen – seit einer Ewigkeit...“ meint sie. „Ist doch komisch oder? Und es ist so still. Was wenn…“ sie spricht den Satz nicht aus, aber ich denke ihn für sie zu Ende… „tot ist?“

Aus Erfahrung weiss ich, dass man in unseren beiden neuen Toiletten schon mal die Zeit vergessen kann. Kürzlich liess mich eine ältere Frau wissen, dass sie sich derart in ihre Kindheit zurückversetzt gefühlt hätte, dass sie am liebsten noch ganz lange an diesem stillen Örtchen verweilt wäre. Ihre Grossmutter hätte noch mit einem solchen Waschbrett und Gallseife gewaschen, und genau so eine Wäscheleinespindel hätte sie auch gehabt, und solche Holzklammern, und überhaupt – es sieht da drinnen fast so aus, wie in Grossmutters Waschküche damals, nur viel gemütlicher.

Auch in unserer zweiten Toilette lässt es sich gut verweilen. Ein paar antike Bücher sowie über 100-jährige Landkarten, ursprünglich nur als Dekoration gedacht, sind es, die dafür sorgen, dass manch ein Gast länger, als unbedingt notwendig, den Toilettenraum für sich beansprucht.

Aber eine halbe Stunde ist nun doch ein bisschen lang. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich mit Gewalt der Türe zu zuwenden. Da diese über kein normales Schloss verfügt, welches man knacken könnte, sondern über einen Holzriegel, welcher als Verschluss dient, vermute ich, dass ich mit entsprechendem Schwung und Krafteinsatz dieser Tür schon Meister werden würde.

Ein bisschen mehr Kraft, als ursprünglich gedacht, brauche ich schon, aber irgendwann springt die Türe auf, fast wie in einem Krimi.

Und natürlich liegt da kein Toter, auch kein Bewusstloser, da ist keiner der meditiert und auch keiner der sich in irgendein Buch oder eine Landkarte vertieft hat. Aber, - es hätte ja sein können.

War es aber nicht, es war der Holzriegel, der sich offensichtlich beim Schliessen der Türe verselbständigt hatte, da dieser allenfalls nicht restlos geöffnet wurde und somit herunterfallen konnte.

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